Eat it!: Die Menschheit ernähren und dabei die Welt retten
Öko-Mainstream ohne realen Ansatz für die Welternährung
Die Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens und Marlene Göring haben ein Buch über die Zukunft der Ernährung verfasst.
Fazit:
Das Buch unterteilt sich in 7 Kapitel: 1. Glück ist Geschmackssache: Wie Essen unser Leben bestimmt. 2. Die globale Kuh: Das grenzenlose Wachstum unserer Ernährungsindustrie. 3. Die Entdeckung der Mahlzeit: Wir essen, also sind wir. 4. Alles hat ein Ende: Wie der Regenwald in die Bratwurst kommt. 5. Zukunft jetzt: Weniger ist mehr und genug für alle. 6. Ziemlich beste Freunde: Landwirtschaft und Natur. 7. Zwei Seelen in der Brust: Wie wir handeln statt hadern. Die Kapitel folgen einem roten Faden, es werden erstmal einige Grundlagen zur Ernährung, Ernährungskultur und Ernährungswirtschaft dargestellt, um auch bei weniger an Ernährung interessierten Lesern eine inhaltliche Grundlage zu schaffen. Nach den ersten drei Kapiteln geht es dann weiter: Schon in den Einführungskapiteln kommt immer wieder ein aktivistischer Unterton durch, der sicher die Zielgruppe triggert. Nach dem Motto „Bisher ist alles ganz gut gelaufen, aber die Menschheit hat einfach nur Riesenglück gehabt. Es ist kurz vor 12 und keiner hat gemerkt, dass wir kurz vor dem Abgrund stehen. Außer uns, und zum Glück haben wir als Wissenschaftsjournalisten die Kompetenz in nahezu allen Themenfeldern die Missstände zu erkennen und die passenden Lösungen anzubieten“. Dabei mischen die Autoren immer wieder anekdotische Szenen und Erfahrungen aus ihren Recherchen mit zusammengesammelten Informationen. Das ist journalistisch gute Schreibe, nur dass viele der Informationen nicht dem Sachstand entsprechen oder in verzerrender Art und Weise dargestellt werden. Es kann sein, dass hier auch einfach nur Sekundärquellen genutzt wurden, die bereits Verzerrungen enthalten, und man sich nicht die Mühe gemacht hat, selbst in den Primärquellen zu recherchieren und Daten zu überprüfen oder selbst durchzurechnen. Welche Quellen genutzt werden, erfährt der Leser nicht, da es weder Textverweise noch ein Quellenverzeichnis gibt. Auch kein gutes Zeugnis für Wissenschaftsjournalisten, selbst wenn das Argument lauten sollte, damit die Lesbarkeit zu verbessern – ein paar kleine Indexzahlen sollten aber nicht stören und Random House ist keine Verlagsgruppe, die an ein paar Seiten bei einem Buch mit vorprogrammierten Bestsellerstatus sparen muss. Die Autoren plädieren an mehreren Buchstellen dafür das Thema Ernährung ideologiefrei zu debattieren, gleichzeitig zieht sich die deutsche Bratwurst und Fleisch als Analogie für die negativen Umweltwirkungen unserer Ernährung durch das ganze Buch. Dabei werden persönliche Standpunkte mit gängigen Narrativen und ein paar Zahlen vermischt, was leider in die entgegengesetzte Richtung von „ideologiefrei“ deutet. Zumal auch die Rolle von pflanzlichen Lebensmitteln mit ihren Umweltwirkungen denen von Fleisch und tierischen Lebensmitteln in nichts nachstehen, wenn man denn aktuellere Globalanalysen der weltweiten Lebensmittelproduktion angeschaut hätte (Halpern et al., 2022). Nachdem dann die diversen Ansätze neuartiger Lebensmittel von Insekten bis in-vitro Fleisch (steht laut Autoren kurz vor dem Durchbruch) über regenerative und solidarische Landwirtschaft durchgekaut sind, landen die Autoren bei der Eigenverantwortung des Verbrauchers. Botschaft: Sich häufiger mal Gemüseauflauf „gönnen“ statt Steak und Tofusteak statt Bratwurst. Dass Deutschland die Treibhausgase seines Ernährungssystems als eines der wenigen Länder weltweit seit 1990 um 25% reduziert hat, und zwar bei gleichbleibender Agrarproduktion und gleichem Konsummuster ohne Gemüseauflauf und Tofu-Steak (Crippa et al., 2021, FAOSTAT), ist den Autoren entgangen. So etwas würde aber wohl auch nicht ins Konzept passen, mit dem zumindest Autor Dirk Steffens sonst die Umweltschutzszene für sich gewinnt. Insgesamt ein gut lesbares Buch, das sicher vom Öko-Mainstream gefeiert wird, inhaltlich jedoch weit von einem tragfähigen Konzept für die Ernährung der Zukunft entfernt ist …